Vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung: Was Sie wissen müssen

Wer schon einmal eine Berufsunfähigkeitsversicherung oder eine andere Versicherung abgeschlossen hat oder abschließen wollte, wird den Prozess sicherlich kennen: Bevor ein Versicherungsvertrag zustande kommt, muss der Versicherungsnehmer eine Reihe von Fragen beantworten und Angaben zu vergangenen Erkrankungen und Behandlungen  machen. Darüber hinaus verlangen Versicherungen häufig Zugriff auf die eigene Krankenakte. Doch wozu?

Vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung

Ihnen wird vorgeworfen eine vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt zu haben? Gerne unterstützen wir Sie bei Ihrem individuellen Anliegen gegenüber Ihrer Versicherung. Kontaktieren Sie uns unter 02 51 / 42 48 3 oder schreiben Sie eine Nachricht an neeb@kanzleien-am-hohenzollernring.de.

Versicherungen möchten abschätzen, wen sie eigentlich versichern – und wie hoch das Risiko für einen Versicherungsfall oder eine Berufsunfähigkeit ist. Versicherungsnehmer sind daher vor Vertragsschluss verpflichtet, alle Vorerkrankungen und besonderen Umstände offenzulegen und damit die vorvertragliche Anzeigepflicht zu erfüllen.

Viele fragen sich daher zurecht: Was passiert, wenn ich Angaben verschweige – absichtlich oder auch versehentlich? Welche Konsequenzen drohen bei einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung? Wir klären auf.

Inhalt:

1.Was bedeutet vorvertragliche Anzeigepflicht?

Jeden Vertragspartner treffen bei einer Vertragsbeziehung Obliegenheiten und Verpflichtungen – einige davon bereits bei Vertragsanbahnung, also vor Vertragsschluss. Bei Versicherungsverträgen ist das insbesondere die vorvertragliche Anzeigepflicht, die bereits vor Vertragsschluss im Rahmen der Antragstellung greift.

Versicherungsnehmer müssen die Fragen des Versicherungsgebers vor Vertragsschluss wahrheitsgemäß und vollständig beantworten. Dabei sind nach § 19 Abs. 1 VVG dem Versicherer vor Abschluss des Vertrages alle gefahrerheblichen Umstände offenzulegen.

Gefahrerhebliche Umstände sind dabei alle Umstände und Informationen, die für das Risiko einer Berufsunfähigkeit oder einen anderen Versicherungsfall relevant sind. Nach diesen Informationen fragen Versicherer explizit und in Textform bei Antragstellung (oder auch später, aber in jedem Fall vor Vertragsschluss).

In Deutschland gilt die sogenannte Vertragsfreiheit

Jeder Mensch und jedes Unternehmen kann sich frei aussuchen, ob und mit welchem Inhalt Verträge im Rahmen der gesetzlichen Grenzen geschlossen werden sollen. Versicherungen haben ein Interesse daran zu wissen, mit wem sie einen Vertrag schließen und zu welchen Konditionen sie einzelnen Versicherungsnehmern einen Vertrag anbieten. Dabei orientieren sie sich an dem zu erwartenden Risiko anhand gemachter Angaben.

Ob es sich um eine vorvertragliche Anzeigepflicht oder eine Anzeigeobliegenheit handelt, ist für Betroffene häufig irrelevant, da Versicherungsnehmer in beiden Fällen dem Risiko einer Leistungsverweigerung ausgesetzt sind. Diese juristische Unterscheidung zielt darauf ab, dass bei einer Obliegenheit der Versicherungsnehmer zwar angehalten ist, vollständige und wahrheitsgemäße Angaben zu machen, diese jedoch nicht von der Versicherung eingeklagt werden können. Bei einer Pflichtverletzung ist das anders. Die Verletzung einer Obliegenheit wirkt sich hingegen nur für den Versicherungsnehmer selbst nachteilig aus und ist daher ein „Gebot im eigenen Interesse“.

2. Bei welchen Angaben besteht eine vorvertragliche Anzeigepflicht?

Wer einen Antrag auf Abschluss einer BU, einer Krankenversicherung oder einer ähnlichen Versicherung abgibt, erhält meist einen auszufüllenden Fragebogen zugesendet oder im Gespräch mit dem Makler oder Agenten vorgelegt. Grundsätzlich gilt: Alle Fragen, die der Versicherer in Textform gestellt hat, müssen auch wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet werden. Anzeigepflichtig sind also alle Umstände, die die Entscheidung des Versicherers zum Abschluss eines Vertrages mit den genannten Konditionen beeinflussen könnten.

Beispiel:

Wird nach Behandlungen von Ärzten, Psychologen oder ähnlichem in einem Zeitraum (zum Beispiel 5 Jahre) gefragt, so sind auch alle Behandlungen, Untersuchungen oder Beratungen der letzten 5 Jahre anzugeben. Grundsätzlich müsste dann auch ein kurzer Besuch beim Hausarzt aufgrund einer vorübergehenden Erkältung angegeben werden. Da solche Vorfälle für den Versicherer meist irrelevant und auch nicht gefahrerheblich sind, liegt bei Verschweigen eines solchen Arztbesuches in der Regel auch keine Anzeigepflichtverletzung vor. Darauf sollte man sich aber nicht verlassen. Faustregel: Alles, wovon Mann/Frau positive Kenntnis hat, muss angegeben werden. Wenn man sich nicht sicher ist, ob doch ein Besuch beim Arzt erfolgt ist, sollte nicht NEIN angekreuzt werden. 

In den meisten Fällen enthalten die Fragen der Versicherer Hinweise dazu, welche Angaben relevant sind und welche Angaben nicht gemacht werden müssen (z. B. Angaben zu Erkältungen oder Impftermine). Versicherungsnehmer sollten daher die Fragestellungen genau lesen – und lieber mehr Angaben machen als zu wenige, um eine Anzeigepflichtverletzung zu vermeiden.

Wichtig: Es müssen nur tatsächlich gestellte Fragen beantwortet werden. Werden bestimmte Angaben nicht abgefragt, kann Ihnen das auch nicht zur Last gelegt werden. Außerdem ist es verpflichtend für den Versicherer, den Antragsteller über die rechtlichen Folgen einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht klar und verständlich aufzuklären.

3. Was passiert bei einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung?

Begehen Versicherungsnehmer eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung, indem sie Umstände verschweigen oder unzureichende oder unrichtige Angaben machen, kann die Versicherung rückwirkend vom Vertrag zurücktreten. Auch nach einem Rücktritt kann die Leistungspflicht des Versicherers bestehen bleiben. Versicherungen können alternativ auch die Vertragsbedingungen (die Konditionen) ändern oder bestimmte Leistungen für die Zukunft ausschließen.

Welche Folgen die Anzeigepflichtverletzung hat, hängt insbesondere davon ab, ob der Versicherungsnehmer vorsätzlich, mit grober Fahrlässigkeit oder sogar mit arglistiger Täuschung handelt:

  • Vorsätzlich heißt, dass der Antragsteller mit Wissen und Wollen gehandelt hat, also wusste, dass Angaben unzutreffend sind oder sie bewusst verschweigt
  • Grobe Fahrlässigkeit ist dann gegeben, wenn der Versicherungsnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn er naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat und von einer bestimmten Behandlung hätte wissen müssen
  • Am schwersten wiegt die arglistige Täuschung: Die Arglist liegt vor, wenn der Versicherte vorsätzlich auf die Vorstellung des Versicherers Einfluss nimmt und ein falsches Bild hervorruft. Dann kann der Versicherer den Vertrag auch anfechten. Wenn diese Anfechtung auch vor Gericht Bestand hat, ist der Zustand so, als hätte der Vertrag nie existiert

Wurde die Anzeigepflichtverletzung nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich begangen, kann der Versicherer die Konditionen zwar anpassen, allerdings nur für die Zukunft.

4. Wann solle ich einen Anwalt einschalten?

Immer wieder kommt es vor, dass Versicherten eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung vorgeworfen wird. In vielen Fällen ist streitig, ob diese auch vorsätzlich oder grob fahrlässig geschehen ist. Versicherungen nehmen eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung häufig vorschnell an, da sie dann berechtigt sind, zu kündigen oder zurückzutreten oder gar die Anfechtung zu erklären. In einem solchen Fall kann ein Anwalt helfen, die Sachlage zu klären, das Vorliegen einer Pflichtverletzung zu prüfen und sich gegen die Vorwürfe der Versicherung rechtlich zur Wehr zu setzen.

5. FAQ: Das Wichtigste auf einen Blick

1. Was bedeutet vorvertragliche Anzeigepflicht und welche Angaben sind erforderlich?

Die vorvertragliche Anzeigepflicht verlangt von Versicherungsnehmern, alle gefahrerheblichen Umstände wahrheitsgemäß und vollständig offenzulegen, bevor ein Versicherungsvertrag abgeschlossen wird. Dazu gehören insbesondere Angaben zu vergangenen Erkrankungen, Behandlungen und anderen relevanten Umständen, die das Risiko für einen Versicherungsfall beeinflussen könnten.

2. Was sind die Folgen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung?

Bei einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung, bei der Umstände verschwiegen oder unzureichende oder unrichtige Angaben gemacht werden, kann die Versicherung vom Vertrag zurücktreten, die Vertragsbedingungen ändern oder Leistungen für die Zukunft ausschließen. Die Folgen hängen davon ab, ob die Pflichtverletzung vorsätzlich, grob fahrlässig oder arglistig erfolgt ist.

3. Wann sollte ich einen Anwalt einschalten?

Wenn Ihnen eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung vorgeworfen wird und Sie die Sachlage klären möchten, kann ein Anwalt helfen. Insbesondere bei Streitigkeiten darüber, ob die Pflichtverletzung vorsätzlich oder grob fahrlässig erfolgt ist, kann rechtliche Unterstützung ratsam sein. Ein Anwalt kann Ihnen helfen, die Sachlage zu klären, das Vorliegen einer Pflichtverletzung zu prüfen und sich gegen die Vorwürfe der Versicherung rechtlich zur Wehr zu setzen.

Bildquellennachweis: pressmaster | PantherMedia

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Wenden Sie sich gerne für ein unverbindliches Erstgespräch an unsere Kanzlei. Gerne unterstützen wir Sie in Ihrem individuellen Fall. In den meisten Fällen muss es nicht zu einem gerichtlichen Prozess kommen, eine rechtliche Beratung und eine neutrale Kommunikation mit den Versicherungen können oft Wunder bewirken.

Rufen Sie uns jetzt an unter 02 51 / 42 48 3 oder schreiben Sie eine Mail an neeb@kanzleien-am-hohenzollernring.de.

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Für mich als Fachanwalt für Versicherungsrecht stehen alle rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit Versicherungen im Vordergrund.

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