Unterschied Berufsunfähigkeit, Arbeitsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit: Was Sie wissen sollten!

Menschen erkranken in ihrem Leben immer wieder an verschiedenen Krankheiten oder erleiden Unfälle. Eine schwere Krankheit, Schmerzen oder die Unfähigkeit, etwas tun zu können, ist dabei nicht nur für das persönliche Wohlbefinden wichtig. Auch die berufliche Tätigkeit ist von einem solchen Schicksalsschlag betroffen.

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Während umgangssprachlich schnell von erwerbsunfähig, berufsunfähig oder arbeitsunfähig die Rede ist, unterscheiden sich diese Begriffe im rechtlichen Sinne deutlich. 

Je nachdem, von welcher Dauer die Beeinträchtigung ist und wie die Heilungschancen aussehen, greifen bestimmte gesetzliche Regelungen oder abgeschlossene Versicherungen – oder auch nicht.

Es ist daher entscheidend, sorgfältig abzugrenzen, ob eine Berufsunfähigkeit, Arbeitsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit vorliegt. In diesem Beitrag erklären wir, welche Unterschiede es gibt und was Sie aus rechtlicher Sicht wissen sollten. 



Inhalt:

1.Berufsunfähigkeit, Arbeitsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit: Unterschiede einfach erklärt

Umgangssprachlich werden die Begriffe der Arbeitsunfähigkeit (AU), Berufsunfähigkeit (BU) und Erwerbsunfähigkeit (EU) häufig synonym verwendet. Wenngleich dies im alltäglichen Leben ausreichen mag, ist es im rechtlichen Sinne wichtig, genau abzugrenzen und zu verstehen, wann welche Form der Einschränkung vorliegt. Das ist insbesondere entscheidend, wenn herausgefunden werden muss, ob die eigene Versicherung verpflichtet ist zu leisten oder nicht.

Arbeitsunfähigkeit

Am häufigsten vorkommend ist die Arbeitsunfähigkeit. Eine Arbeitsunfähigkeit liegt immer dann vor, wenn der Arbeitnehmer so krank ist, dass er seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung vorübergehend nicht erfüllen kann. Das kann durch eine physische oder psychische Krankheit oder einen Unfall der Fall sein.

In einem solchen Fall erhält der Arbeitnehmer durch einen Arzt (meist den Hausarzt) eine Krankschreibung. Auf dieser wird die Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Viele kennen die gelben und rosafarbenen Zettel, die bei dem Arbeitgeber eingereicht werden müssen – bis dato erfolgte eine Krankschreibung vorwiegend auf Papier. In Zukunft soll dies zunehmend digitalisiert werden.

Wichtig ist, dass die Arbeitsunfähigkeit in der Regel nur vorübergehend, also von kurzer Dauer ist. Der Arbeitnehmer hat in diesem Fall einen gesetzlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung (§ 5 EntgFG). Nach spätestens 3 Tagen krankheitsbedingter Abwesenheit ist die ärztliche Krankschreibung in der Regel einzureichen. Etwas anderes kann im Arbeitsvertrag geregelt sein.

Der Arbeitgeber ist bei Krankschreibung dazu verpflichtet, das Gehalt bis zu 6 Wochen weiterzuzahlen. Nach 6 Wochen übernimmt die gesetzliche Krankenkasse etwa 75 Prozent des Gehalts – bis zu 78 Wochen lang (Krankengeld).

Berufsunfähigkeit

Berufsunfähigkeit bedeutet, dass ein Arbeitnehmer oder Selbstständiger voraussichtlich länger als 6 Monate nicht mehr in der Lage sein wird, seinen bisherigen Beruf auszuüben. Auslöser kann eine physische oder psychische Krankheit oder ein Unfall sein.

Zu betonen ist dabei die Ausübung des bisherigen Berufs. Eine Berufsunfähigkeit liegt auch dann vor, wenn die Ausübung eines anderen Berufs durchaus noch möglich wäre, beispielsweise, wenn ein KfZ-Mechatroniker nach einem Unfall gehbehindert ist, aber noch in der Lage wäre, eine Bürotätigkeit auszuüben.

Gut zu wissen: Eine gesetzliche Absicherung für Berufsunfähigkeit gibt es nur für Menschen, die vor dem 02.01.1961 geboren sind. Für diese greift § 240 SGB VI, nach dem Berufsunfähige eine sogenannte halbe Erwerbsminderungsrente erhalten. Menschen, die nach diesem Stichtag geboren sind, haben keinen Anspruch auf diese Rentenleistung. Für anderweitig Betroffene ist eine private Vorsorge durch eine BU-Versicherung möglich und auch sehr sinnvoll. Diese zahlt in der Regel dann, wenn Sie für mindestens 6 Monate zu mindestens 50 Prozent berufsunfähig sind.

Erwerbsunfähigkeit

Davon abzugrenzen ist wiederum die Erwerbsunfähigkeit oder die Erwerbsminderung. Dies trifft auf Berufstätige zu, die wegen einer Krankheit oder einer geistigen oder körperlichen Behinderung auf unabsehbare Zeit nicht oder nur sehr eingeschränkt in der Lage sind, einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. In jedem Fall gilt es zu prüfen, wie die einzelnen Versicherer den Begriff der Erwerbsunfähigkeit definieren, diese kann durchaus von der gesetzlichen Definition abweichen.

Gesetzlich wird wie folgt zwischen “teilweise erwerbsgemindert” und “voll erwerbsgemindert” differenziert (§ 43 SGB VI). Dabei geht es nicht um persönliche Umstände (z. B. Kinderbetreuung) oder die Arbeitsmarktsituation, sondern um die körperliche oder geistige Einschränkung:

  • Teilweise erwerbsgemindert ist eine Person, die aufgrund ihrer Einschränkung nicht mehr als 6 Stunden, aber mindestens 3 Stunden täglich arbeiten kann
  • Voll erwerbsgemindert ist eine Person dann, wenn sie weniger als 3 Stunden täglich erwerbsfähig ist.

Bei der Erwerbsfähigkeit geht es anders als bei der Berufsunfähigkeit um die allgemeine Fähigkeit, einer Arbeit nachzugehen. Die Erwerbsfähigkeit ist nicht auf den bisher ausgeübten Beruf beschränkt. Ein Beispiel: Der Kfz-Mechatroniker, der trotz des Rückenleidens noch eine Bürotätigkeit übernehmen kann, ist demnach zwar berufsunfähig, jedoch nicht erwerbsunfähig.

Im Falle einer Erwerbsminderung haben Berufstätige einen gesetzlichen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente durch den Staat, sofern sie mindestens 5 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben. Zudem müssen in den letzten 5 Jahren vor Eintritt in die Erwerbsminderungsrente mindestens 3 Jahre (nicht zwingend zusammenhängend) die Pflichtbeiträge gezahlt worden sein.

2. Welche Versicherungen greifen wann?

Trotz der Erwerbsminderungsrente wird nicht selten auch bei einer Erwerbsminderung bzw. -Unfähigkeit mit großen finanziellen Einbußen gerechnet. Der Grund: Die Erwerbsminderungsrente umfasst nur einen Teil des vorher erhaltenen Einkommens. Wer teilweise erwerbsgemindert ist, bekommt von seinem Einkommen auch nur die Hälfte. Und: Je jünger eine Person ist, desto geringer ist der Anspruch auf Erwerbsminderungsrente. 

Um sich hiergegen abzusichern, zahlen viele freiwillig in die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) ein, denn wer erwerbsunfähig ist, ist meist auch berufsunfähig. Umgekehrt kann dies anders aussehen. Daher ist eine BU für jeden Berufstätigen im Grunde unverzichtbar und zählt zu den wichtigen Versicherungen, die jeder abschließen sollte. 

Daneben gibt es die Erwerbsminderungsversicherung (EMV). Diese leistet neben der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente und soll die Lebenshaltungskosten abdecken. Eine solche Versicherung ist zwar günstiger als eine BU, leistet jedoch auch nur bei einer Erwerbsminderung, nicht bei der häufiger vorkommenden Berufsunfähigkeit. 

Viele BU-Versicherungen bieten zusätzlich sogenannte AU-Klauseln an. Versicherte können sich demnach bei einer Arbeitsunfähigkeit zusätzlich zum Krankengeld absichern. Dies kann sinnvoll sein, wenn das Krankengeld sehr niedrig ausfällt oder Sie privat versichert oder selbstständig sind – und somit keinen Anspruch auf Krankengeld haben. Eine AU-Klausel dient darüber hinaus auch zur Überbrückung der 6 Monate bis zum Erreichen der Berufsunfähigkeit.

3. Was tun, wenn die Versicherung nicht zahlt?

Besonders unangenehm ist es für Betroffene, die eine BU-Versicherung abgeschlossen haben, wenn diese im Ernstfall die Leistung verweigert. In vielen Fällen entsteht durch die Kommunikation mit den Versicherungen der Eindruck, die Schuld liege bei Ihnen als Versicherter. Das muss allerdings nicht immer der Fall sein.

Folgende Gründe können dafür verantwortlich sein, dass die Versicherung nicht leistet: 

  • Sie haben fehlerhafte Angaben gemacht und somit die vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt. Das kann Versicherungen unter Umständen dazu berechtigen, die Leistung zu verweigern. 
  • In Ihrem Versicherungsvertrag sind Ausschlussklauseln (z. B. psychische Erkrankungen) enthalten, die eine Leistungspflicht von vornherein ausschließen.
  • Sie haben nicht oder nicht ausreichend auf die Rückfragen der Versicherung bezüglich Ihrer Berufsunfähigkeit reagiert und es fehlen Belege oder Nachweise, um die Rente auszuzahlen. 
  • Sie erreichen nicht die 50 Prozent-Berufsunfähigkeit und werden deshalb rechtlich nicht als berufsunfähig eingestuft

In vielen Fällen lassen sich diese Gründe aus der Welt schaffen oder beispielsweise durch ein Gutachten doch noch eine Berufsfähigkeit nachweisen.

Häufig zahlt die BU jedoch auch zu Unrecht nicht. In einem solchen Fall sollten Sie nicht zögern und einen erfahrenen Anwalt zu Rate ziehen. Insbesondere dann, wenn Sie dringend auf das Geld aus der BU-Rente angewiesen sind, kann sich der Weg zum Anwalt lohnen. 

Als erfahrene und spezialisierte Fachanwälte für Versicherungsrecht helfen wir Ihnen, zu Ihrem Recht zu kommen und die Ihnen zustehende BU-Rente zu erhalten. Kommen Sie gern auf uns zu.

4. Fazit

  • Eine Arbeitsunfähigkeit liegt immer dann vor, wenn ein Arbeitnehmer vorübergehend nicht in der Lage ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen. In einem solchen Fall greift die Entgeltfortzahlung, das Krankengeld und ggf. eine AU-Klausel.
  • Wer berufsunfähig ist, kann für mindestens 6 Monate seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben. Für einen solchen Fall können Sie sich privat durch eine BU-Versicherung absichern. 
  • Erwerbsunfähigkeit oder Erwerbsminderung liegt dann vor, wenn eine Person dauerhaft nicht in der Lage ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. In einem solchen Fall erhalten Arbeitnehmer eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente und ggf. eine BU-Rente aus ihrer privaten Versicherung. 
  • Wenn die BU nicht zahlt, fragen Sie immer nach den Gründen für die Leistungsverweigerung. Kontaktieren Sie einen Fachanwalt für Versicherungsrecht, um Ihren Anspruch auf BU-Rente durchzusetzen.

5. FAQ: Das Wichtigste auf einen Blick

1. Was ist der Unterschied zwischen Berufsunfähigkeit, Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit?

Berufsunfähigkeit bedeutet, dass man voraussichtlich länger als 6 Monate seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann. Arbeitsunfähigkeit tritt auf, wenn man vorübergehend nicht in der Lage ist, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Erwerbsunfähigkeit hingegen bedeutet, dass man dauerhaft nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen.

2. Welche Versicherungen greifen bei Berufsunfähigkeit, Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit?

Bei Berufsunfähigkeit ist eine private Berufsunfähigkeitsversicherung sinnvoll, die bei längerfristiger Berufsunfähigkeit eine finanzielle Absicherung bietet. Bei Arbeitsunfähigkeit greift zunächst die Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers und später das Krankengeld der gesetzlichen Krankenkasse. Erwerbsunfähigkeit wird durch eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente abgedeckt, die im Falle dauerhafter Einschränkungen gezahlt wird. Die Erwerbsminderungsrente umfasst jedoch nur einen Teil des vorher erhaltenen Einkommens. Der Abschluss einer BU-Versicherung ist demnach auch für Erwerbsunfähige sinnvoll, denn wer erwerbsunfähig ist, ist meist auch berufsunfähig.

3.Was kann ich tun, wenn meine Versicherung die Zahlung bei BU-Rente verweigert?

Wenn die Versicherung die Leistung verweigert, können verschiedene Gründe dafür verantwortlich sein, wie fehlerhafte Angaben oder Ausschlussklauseln im Vertrag. In vielen Fällen lassen sich diese Gründe ausräumen, aber es kann auch vorkommen, dass die Versicherung zu Unrecht nicht zahlt. In einem solchen Fall ist es ratsam, einen erfahrenen Anwalt für Versicherungsrecht hinzuzuziehen.

Bildquellennachweis: jakkapan21 | Canva.com

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Für mich als Fachanwalt für Versicherungsrecht stehen alle rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit Versicherungen im Vordergrund.

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